Alles ist heutzutage “smart”. Insbesondere das Smart-Home war wieder mal ein großes Thema auf der diesjährigen IFA. Kaum ein Hersteller, der nicht irgendwelche “smarten” Lösungen am Start hatte. Ich finde, eine Steckdose per Sprachbefehl an Siri über den Homepod anzuschalten, ist zwar nett, aber alles andere als Smart. Ich denke wir leben mit der Smart-Home-Lüge.
Bestenfalls ist ein Schalter, den ich per Sprache bedienen kann, eine komfortable Lösung. Was daran “Smart” sein soll, erschließt sich mir nicht. Auch nicht, wenn ich auf meinem “Smartphone” so genannte Szenen anlegen kann, die dann passend zu jeweiligen Wohnsituation (Fernsehen, Lesen, am Rechner arbeiten) die Lichtstimmung anpassen. Es ist komfortabel, keine Frage. Smart ist es nicht.
Heizkörper, die sich nach bestimmten Uhrzeiten an oder abschalten sparen vielleicht (sicher ist das ja auch nicht) viel Geld. Beweisen oder messen kann man es vielleicht nur über sehr lange Zeiträume. Abgesehen davon, dass die Anschaffungskosten auch eingerechnet werden müssen. Somit ist die noch so komfortabelste Heizungssteuerung eher eine bessere Fernbedienung.
Ohne Zweifel sind die Sprachassistenten Alexa, Google und Homepod eine praktische Angelegenheit. Sie suggerieren, dass man es mit einer echten Intelligenz (KI) zu tun hat, die auf die Fragen und Kommandos des Anwenders immer eine Antwort hat. In Wahrheit liegt die Leistung der Systeme eher in der Spracherkennung. Diese ist in den vergangenen Jahren wirklich besser geworden.
Dennoch brauche ich inzwischen eine sehr lange Liste mit den Kommandos, die ich an Alexa geben muss, damit bestimmte “smarte” Funktionen ausgeführt werden. Die Liste ist so lang, dass ich mir nicht mehr alles merken kann. Alexa und die anderen Systeme bestehen aber in der Regel auf einer genauen Formulierung. Das nenne ich nicht “smart”. Das nenne ich “doof”.
Smarte Türschlösser, smarte Fahrräder, smarte Fernseher, smarte Lautsprecher, smarte Telefone. Die Liste der smarten Geräte könnte man beliebig verlängern. Homesteuerung mit einen TV-Receiver ist die neuste Absurdität der “smart-home” Industrie.
Das Alles wäre ja gar nicht so schlimm, denn schließlich ist es natürlich auch ganz bequem, sein Licht oder die Heizung, das Rollo und auch die Haustür mit der eigenen Stimme zu steuern. Ohne Frage auch ein Vorteil für Menschen mit körperlichen Einschränkungen. Dinge werden einfacher. Aber eben nicht “smart”.
Das alleine ist schon ärgerlich genug, aber es geht noch weiter. Wer sich näher mit der Materie beschäftigt, wird feststellen, dass viele Hersteller ihr eigenes Süppchen kochen. Viele Systeme sind nicht kompatibel zueinander, auch wenn Amazon und Google mit möglichst breiter Unterstützung versuchen, vieles unter einen Hut zu bringen. Apple grenzt sich – wie oft beim Konzern aus Cupertino – von anderen ab und lässt nur “HomeKit” zertifizierte Geräte zu. Andere Hersteller, wie AVM zum Beispiel, bieten zwar ein in sich geschlossenes System, versuchen aber mit offenen Schnittstellen eine Integration.
Diese Wirrungen sorgen dafür, dass Kunden sich für ein System entscheiden müssen. Hat man also schon einen HomePod und will keine weiteren/anderen Smarten Lautsprecher, ist man auf HomeKit festgelegt. Hat man eine Fritzbox, was in vielen Haushalten der Fall ist, kann man auf Alexa und das System des Berliner Herstellers setzen. Wenn man aber dann noch ein “smartes” Türschloss haben will, wird die Luft schnell dünn.
Alternativ hat man dann ein Sammelsurium von Apps für die einzelnen Systeme auf dem iPhone. Alleine das macht es schon absurd, von “Smart Home” zu sprechen.
Darauf zu hoffen, dass sich die Hersteller auf einheitliche Standards einigen – auch wenn es solche natürlich gibt – und dass es endlich wirklich smart wird, ist glaube ich vergebene Liebesmüh.
Was ich mir unter einer echten smarten Lösung vorstelle? Ein System, das zum einen einfach zu installieren und zu betreiben ist. Zum anderen sollte es lernfähig sein. Es sollte aus Mustern meiner Nutzung lernen. Es sollte erkennen, was ich will und mir passende Profile anbieten. Beleuchtung, Wärme, Energie sollten je nach Witterung, Jahreszeit und auch meinen Ansprüchen reguliert werden. Dabei sollte die Öko-Bilanz an erster Stelle stehen. Ich möchte mich nicht mehr darum kümmern. Wenn Teile der Anlage Probleme bekommen, sollte das System Wege zur Lösung anbieten.
Eine Sprachsteuerung sollte nicht auf exakte Formulierungen Wert legen, sondern erkennen, was ich sagen will und entsprechend reagieren. Im Zweifel noch mal nachfragen. Ich bin sehr gespannt, wie lange die Industrie uns noch mit der Smart-Home-Lüge beglücken wird, oder ab wann man endlich echte smarte Lösungen anbietet.
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