Seit der Flutkatastrophe in Nordrhein Westfalen und Rheinland Pfalz kommen immer wieder Stimmen hoch, die den Einsatz von Warnsystemen auf der Basis von Cell Broadcasting fordern. Wir erklären, was die Technik kann und was nicht.
Seit der Einführung des digitalen Mobilfunks gab es auch immer schon die Möglichkeiten, Nachrichten zu versenden. Wie der SMS-Dienst ist auch Cell Broadcasting Bestandteil des GSM-Standards. In Deutschland wurde der SMS-Dienst zunächst nicht, dann kostenfrei und letztendlich dann kostenpflichtig angeboten.
Schon die ersten Mobiltelefone nach GSM konnten Nachrichten senden und empfangen und hatten entweder eine passende Taste dafür oder einen Menüpunkt. Cell Broadcasting wurde bereits in den 1990er Jahren und verstärkt in den 2000er genutzt. Der Dienst verbreitete neben Sport-Informationen auch die aktuelle Uhrzeit (auf 10 Minuten genau.)
Durch den Siegeszug des mobilen Internets geriet der Dienst aber weitestgehend in Vergessenheit. Aber wie funktioniert Cell Broadcasting denn nun? Ist das System mit SMS vergleichbar? Entstehen Kosten für den Nutzer? Wie zuverlässig ist das Ganze? Was nützt das System im Katastrophenfall?
In vielen Ländern der Welt, auch in Europa, wird Cell Broadcasting bereits für regionale und nationale Warnsysteme genutzt. Die Technik ermöglicht es, zum Beispiel an alle an einer Funkzelle angemeldeten Mobiltelefone (Smartphones und “normale” Handys) eine Nachricht abzusetzen. Dabei muss der Absender diese Nachricht lediglich einmal senden und alle Geräte an der jeweiligen Zelle bekommen und zeigen sie – ähnlich wie eine SMS – an.
Da Cell Broadcasting bereits tief im Standard verankert ist, ist der Dienst sehr robust. Das bedeutet wenig Fehleranfällig. Fast alle Smartphones (auch iPhones) können mit diesem Standard umgehen und es muss keine zusätzliche App installiert werden. Auch ist kein aktiver Datenvertrag nötig. In den meisten Fällen ist nicht mal eine Sim-Karte nötig wenn sich das Handy auch ohne diese an einem Funkmast anmelden kann.
Das sollte in den meisten Fällen gehen, denn auch der Notruf
über die Nummer 112 benötigt keine Sim-Karte. Neueste Versionen des Cell-Broadcast-Standards können (laut Wikipedia) in wenigen Sekunden viele hunderttausende Mobilfunkmasten und damit viele Millionen Handys erreichen. Außerdem ist der Dienst weitestgehend anonym und damit bestehen auch keine Datenschutz-Bedenken.So sind sowohl regionale Warnungen (über eine beschränkte Anzahl an Sendemasten), als auch nationale Warnungen möglich. Kosten für den Nutzer entstehen (eigentlich) nicht. Es könnte ein Szenario eintreten, in dem sich die Mobilfunkanbieter aber die Kosten für die Implementierung durch den Kunden wieder hereinholen würden. Schätzungen gehen von bis zu 30 Millionen Euro aus. Das ist aber reine Spekulation.
Der Nutzen im Katastrophenfall hängt im weitesten natürlich auch von der jeweiligen Katastrophe ab. Wenn – wie im Falle des Hochwassers in NRW – auch die Mobilfunkversorgung zusammenbricht, hat auch Cell Broadcasting keine Chance. Wenn allerdings im Vorfeld die Bevölkerung großflächig gewarnt werden könnte, wäre das ein zeitlicher Vorteil.
Gegenüber den Internet-gestützten Warn-Apps wie zum Beispiel “Nina” (laut BBK, dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenschutz, ca. 10 Millionen Installationen) hätte der Dienst auf jeden Fall den Vorteil, dass er quasi schon auf dem Mobiltelefon aktiv ist. Der Anwender muss nichts installieren. Die Wahrscheinlichkeit, mehr Menschen zu erreichen ist damit höher.
Auch Warnsysteme wie Cell Broadcasting sind nicht 100 Prozent sicher. So gab es Anfang 2018 auf der Insel Hawaii einen Cell Broadcast der vor einem bevorstehenden Raketenangriff warnte. Daraufhin brach zunächst Panik aus bis kurz danach die korrigierte Meldung kam.
Der im letzten Jahr veranstaltete so genannte “Warntag” des BBK hat die Schwächen des Systems “Nina” aufgedeckt. Es wurden keine, fehlerhafte oder verspätete Meldungen zugestellt. Der für dieses Jahr (2021) geplante Warntag des BBK fällt aus. Nach Plänen der Bundesregierung soll Cell Broadcasting im nächsten Jahr kommen. Vielleicht ja noch vor dem nächsten Warntag (September 2022) und besser noch vor der nächsten Katastrophe.
Infos: Wikipedia, BBK, Tagesschau
Foto: Pixabay.
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